(BGH v. 03.05.2017, XII ZB 415/16)
Grundsätzlich sind Eltern ihren Kindern bis zur Erreichung ihrer wirtschaftlichen Unabhängigkeit unterhaltspflichtig (sog. Ausbildungsunterhalt). Dabei wird von einem zielstrebigen Verlauf ausgegangen. Die Eltern schulden dem Kind den Unterhalt, den es für eine angemessene Schul- und Berufsausbildung braucht. Diese richten sich nach den Begabungen und Fähigkeiten des Kindes und findet ihre Grenzen in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern. Der Unterhalt wird auch geschuldet, wenn das Kind nach dem Abitur zunächst eine Lehre absolviert und erst dann studiert. Entscheidend ist ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang, so dass sich Ausbildung und Studium sinnvoll ergänzen.
Der BGH hat jedoch klar gestellt, dass der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt vom Gegenseitigkeitsprinzip geprägt ist. Hiermit ist die Obliegenheit des Kindes gemeint, mit Fleiß und Zielstrebigkeit die finanzielle Unabhängigkeit herbeizuführen. Finden sich hier Schwachpunkte, kann die Zumutbarkeit der Unterhaltszahlung entfallen.
Auch Eltern muss es gestattet sein, eine eigene finanzielle Lebensplanung vorzunehmen. Sie müssen sich auf die Dauer ihrer Unterhaltslast einstellen können. Hierfür ist ein gewisses Maß an Kommunikation zwischen unterhaltspflichtigem Elternteil und unterhaltsberechtigtem Kind erforderlich. Dabei fordert der BGH vom Unterhaltspflichtigen, sich beim Kind über dessen Pläne zu informieren. Die Rücksichtnahmepflicht verlangt jedoch auch von dem Kind, Informationen darüber an den Unterhaltspflichtigen preiszugeben. Dies sollte in umso höherem Maße geschehen, je stärker sein Ausbildungsplan vom „normalen Weg“ abweicht.
Fragt der zum Ausbildungsunterhalt grundsätzlich Verpflichtete also beim Kind an, wie seine beruflichen Zukunftspläne aussehen und erhält er keine Auskünfte, besteht die Möglichkeit, dass die Zumutbarkeit weiterer Unterhaltszahlungen entfällt. Im vorliegenden Fall hatte die Tochter zwar von Anfang an vor, ein Medizinstudium zu absolvieren. Sie leistete jedoch zwischenzeitlich eine dem Studium nahe Ausbildung ab und arbeitete in diesem Beruf. Derweil befand sie sich wegen der Abiturnote in der Wartezeit für einen Studienplatz. Der sodann geltend gemachte Anspruch auf Unterhaltszahlung wurde in diesem Fall abgewiesen. Sie hatte den Unterhaltspflichtigen trotz seiner Nachfrage nie über ihre Ausbildungspläne informiert.
Hinweis:
Der Ausbildungsunterhalt ist ein sehr individueller Anspruch, so dass jeder Einzelfall einer besonderen rechtlichen Prüfung bedarf. Minimale Abweichungen des Sachverhalts zu einer bereits ergangenen Entscheidung können zu anderslautenden Entscheidungen führen. Ihr Anwalt berät Sie jederzeit zu den Modalitäten.